Wir wurden immer wieder gefragt, wer von uns beiden den männlichen Part in unserer gleichgeschlechtlichen Beziehung übernahm. Am Anfang war uns das noch nicht klar. Jede tat, was sie gern tat oder besonders gut konnte. Wir beide waren glücklich.
Aber man sagte uns immer wieder, dass es ohne eine männliche Rolle nicht funktionieren könne. Uns wurde gewahr, dass wir ohne eine geschlechtlich getrennte Rollenausübung auf Dauer ein Paradoxon im humanen Beziehungskontinuum auslösen und das die zivilisierte Welt aus den Angeln heben würde. Dieses Risiko war uns zu hoch und wir beschlossen, das Abendland vor dem Untergang zu retten. Scheiß auf die Welthungerhilfe, jetzt galt es wirklich etwas zu tun!
Wir beide konnten mit Werkzeug umgehen und dennoch nichts mit Fussball anfangen. Wir kochten beide gern gemeinsam und gingen furchtbar gern zusammen Schuhe shoppen. Wir tranken Bier genauso gern wie Weißwein. Meine Freundin las gern stundenlang in der Badewanne sozialwissenschaftliche Fachliteratur, aß aber Fleisch lieber als Gemüse und hatte unsere Finanzen ganz prima im Blick. Ich programmierte gern stundenlang am PC, aß furchtbar gern Gemüse, war regelrecht ordnungsfanatisch und übernahm die Urlaubsplanung. Wie sollten wir da unsere geschlechtliche Bestimmung herausfinden? Was also tun?
Wir orientierten uns der Einfachheit halber an unserem Körperbau. Die mit den größeren Hupen und den kleineren Füßen hatte ab sofort ihre Frau zu stehen und das andere war ich.
Um uns schnell umgewöhnen zu können, klebte ich mir zuhause einen falschen Schnurrbart an.
Meine Freundin ließ von da an ihre Finger von Materialien, die Härter waren als Ihre Nägel und fing an zu stricken. Ich fing an, meine Fußnägel mit so einem Knipsding ziellos durch die Wohnung zu schnipsen und hörte auf, meine Socken täglich zu wechseln, sah mir jedes Bundesligaspiel an und kaufte mir nur noch einmal im Jahr neue Schuhe. Ich vergaß, wo meine Unterwäsche lag und ließ mir von ihr meine Klamotten rauslegen. Ich erklärte Gemüse zu meinem Feind und sie Blattsalate ohne Dressings zu ihrer Leibspeise. Das Kochen wurde sehr schwierig für sie. Aber das kümmterte mich ab sofort nicht mehr.
Ich betrat die Küche nur noch, um mir ein Bier aus dem Kühlschrank zu holen, falls sie zu sehr mit der Zubereitung meiner Holzfällersteaks befasst war. Mir wuchs ein stattlicher Bierbauch, der meine Möpse optisch in den Hintergrund drängte und unglaublich gut in Feinripp aussah.
Fortan halbierte ich meinen Wortschatz und nannte sie nur noch "Weib" was meinem schnurrbebärteten, rülpsenden Mund auch viel besser stand.
Es kamen immer mehr Orientierungshilfen zusammen und wir wuchsen in ein Gefüge, mit dem die Leute sehr gut zurecht kamen, was ihnen vertraut war, dem sie sich selbst ihr Leben lang unterordneten. So tickte die Welt wieder richtig und alle schienen zufrieden.
Oder um es mit Ellen DeGeneres Worten zu formulieren: Die Frage, wer der Mann in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung ist, ist so sinnvoll wie die Frage, welches der chinesischen Essstäbchen die Gabel ist.
(Ellen DeGeneres: "Asking who's the "Man" and Who's the woman in a same-sex Relationship is like asking which Chopstick is the Fork.")
Credit:
die linke Hand: Horst Neubert
die rechte Hand: Doreen Kunze
Idee: Penschamin Rutolph
Kostüme: Gott
Hairstylist: unkown
Music: Schwester-Pester
© 2017 by Ramona Rambo & Schwester-Pester. All rights reserved.